MTH02 Trolle

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Judith Strußenberg
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Klaudia

Schweigt lauter. Judith und Klaudia live beim Podstock2020 über Trolle und die mutwillige Zerstörung von Menschen und Diskursen. Was sind die Ziele von Trollen? Wie gehen sie vor? Und was kann man als Zeug:in oder Betroffene:r dagegen unternehmen?


Trollt euch – Ein Phänomen der Netzkultur

Links

Wikipedia-Einräge Troll (de/en)

Richard Gutjahr, re:publica 2018: „Nach Nizza und München – Anatomie eines Shit-Tsunamis“

Beispiel für rechte Trollaktionen

Interviews mit 22 Trollen („Menschen mit Sendungsbewusstsein“)

Studie „Trolls just want to have fun“

HateAid

Anna-Lena v. Hodenberg und Josephine Ballon (Hate Aid): Hilfe gegen OnlineHass | Fridays For Future

re:publica im digitalen Exil: Gewalt im Netz

Rent-a-troll: Researchers pit disinformation farmers against each other

Disinformation For Hire: How A New Breed Of PR Firms Is Selling Lies Online

Indien hatte offenbar ebenfalls bereits Probleme mit digitaler politischer Einflussnahme
Buch von Chaturvedi: „I Am a Troll“

Answering a Social Troll: What You Need to Know

How to Respond to Internet Rage

Jessikka Aro, finnische Investigativjournalistin: „The cyberspace war: propaganda and trolling as warfare tools“

Jessikka Aro’s prize-winning stories on Russian propaganda

Der Kampf einer Finnin gegen pro-russische Trolle

https://de.wikipedia.org/wiki/Jessikka_Aro

Jessikka Aro: How pro-Russian trolls tried to destroy me

Notizen

1.) Definition „Troll“

Trolle sind auf Twitter und Facebook aktiv, aber auch in den Kommentaren von Nachrichtenseiten. Wissenschaftskommunikatoren sind oft mit ihnen konfrontiert, häufig tauchen sie bei Themen wie Impfen, Abtreibung, Feminismus oder Klimawandel auf, oder wo immer es sich anbietet, ideologisch motivierte Kritikern zu üben.
Artikel über Trolle sind häufig mit den plumpen, haarigen Fabelwesen aus der nordischen Mythologie geschmückt. Eine andere Herleitung sieht den Ursprung im Anglerlatein, nämlich der englischen Bezeichnung „trolling with bait“. Dabei wird eine Schleppangel langsam von einem fahrenden Boot durch das Wasser gezogen. Fische wie Diskussionsteilnehmer sollen also sprichwörtlich geködert werden.
Auch wenn das Phänomen in den letzten Jahren erst so richtig ins allgemeine Bewusstsein gekommen ist, ist der Begriff schon bvergleichsweise alt. Zum ersten Mal trat das Wort in diesem Zusammenhang im Jahr 1990 auf, als es in der Newsgroup alt.folklore.urban in dem Satz „trolling for newbies“ benutzt wurde.

Wir schauen uns heute das Instrumentarium von Trollen an, gehen darauf ein, dass Trolle inzwischen immer mehr zu einem politischen Faktor werden und das ganze Thema auch zunehmend eine ökonomische Dimension hat und geben euch Anlauftstellen mit auf den Weg, wo ihr euch hinwenden könnt, wenn ihr Opfer eines Trollangriffs werdet.

2.) Mehr als eine Keule – Das tun Trolle

Zunächst ist es einmal wichtig festzuhalten, dass es nicht DEN Troll gibt. Da draußen gibt es Menschen mit ganz verschiedenen Motiven. Das zeigt Tobias Eberwein, Medienforscher der Uni Wien, der mit 22 Trollen Interviews geführt hat:

Eine wesentliche Einsicht für uns war, dass es den typischen Troll nicht gibt. Es gibt ganz unterschiedliche Motive für störende Kommentare. Manche stören bloß, um sich zu unterhalten; einige Interviewpartner sagten uns, sie seien interessiert am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung; andere wiederum sind der Ansicht, dass Medien die Wahrheit einschränken – und man daher neue Fakten einspeisen muss, damit sie nicht unter den Teppich gekehrt werden; wieder andere provozieren, weil sie Aufmerksamkeit suchen: Ihre Postings sind also so etwas wie energische Signale, um Gehör zu finden im öffentlichen Diskurs. Aufmerksamkeit in der digitalen Öffentlichkeit ist eine Währung, die nicht zu unterschätzen ist.

So unterschiedlich die Motive von Trollen sein können, Forscher:innen haben in der Studie „Trolls just want to have fun“ herausgefunden, dass diese einen Hang zum Alltagssadismus haben und diesen eben auch in Kommentarfeldern und Posts ausleben. (Hinweis auf den ORF-Artikel, wo sie 22 Leute „mit Sendungsbewusstsein“ als Trolle hatten. Scheint da mehrere Schichten zu geben.)

In Judiths Wahrnehmung ist man mit dem Begriff „Trollen“ schnell bei der Hand. Ähnlich wie bei „Triggern“ oder ähnlichen Begriffen. Dabei ist natürlich nicht jede krtische Nachfrage gleich Trollen. Wer sich schon ein wenig im Netz und den Sozialen Medien bewegt, merkt schnell, ob jemand wirklich an Austausch interessiert, und sei er noch so kritisch, oder ob er die Intention hat, einfach nur zu stören und zu verletzen. Aber wo ist nun der Unterschied? Wenn wir in den Wergzeugkasten der Trolle schauen, finden wir dort beispielsweis folgende Vorgehensweisen:

Außerdem:

  • persönliche Angriffe, Beleidigungen, Herabwürdigungen bis hin zum Absprechen des Menschseins des Gegenübers (zB “du Hund”) oder das Anzweifeln bis Absprechen von geistigen Fähigkeiten, was ebenfalls auf Entmenschlichung hinausläuft (-> Folge mit Christina Beran)
  • Themen belegen, die Spaltung versprechen, funktioniert im Kleinen wie im Großen (Talk von Frank Rieger auf der re:publica19)
  • Zitate werden aus dem Zusammenhang gerissen und/oder leicht verändert
  • eine Replik bezieht sich nicht auf vorher Gesagtes, sondern beginnt ein völlig neues Thema
  • das Betonen, man wolle „nur mal Fragen stellen“ („Das wird man ja wohl noch fragen dürfen.“)
  • Doxxing: Veröffentlichung von persönlichen Daten wie Adressen etc.
  • Behauptungen werden nicht durch Quellen belegt bzw. angegebene Quellen belegen in Wahrheit gar nicht das Behauptete
  • so genanntes „Gish Galloping“, die nach einem US-Kreationisten benannte Debattentaktik, sein Gegenüber mit so vielen Argumenten und Halbwahrheiten zu überschütten, dass er unmöglich auf alle antworten kann
  • die Behauptung, zu wissen, was das Gegenüber “wirklich will” – statt auf dessen tatsächliche Aussagen einzugehen

3.) Der wirtschaftliche und geopolitische Faktor

Auf den ersten 5 Trefferseiten zur Suche nach „book a troll“ bei duckduckgo keine Treffer zu kommerziellen Angeboten (was besser ist als bei der Suche nach „App Tracking“, wo auf Seite 2 oder 3 die Seite mit der verprügelten Frau als Werbung rausfiel)

Preise und Inspirationen, wo man fündig wird, gibt man auf der ersten Seite einer handelsüblichen Suchmaschine.
Trolling as a service kann man buchen, genau so wie man SEO Maßnahmen buchen kann. Black SEO quasi. Sicherheitsforscher der Insikt Group haben das einmal durchgespielt und herausgefunden, dass es teils auch die gleichen Unternehmen sind, die einem dabei helfen, das eigene Unternehmen in einem besonders guten Licht dastehen zu lassen – und gleichzeitig das Gegenteil mit Mitbewerbern zu machen.
Dafür haben sie eine Gruppe beaftragt, einem rein erfundenen Unternehmen mit Sitz in England eine gute Reputation zu verpassen.
Zum Zuge kamen dabei Social Media Marketing, Eintrag in Jobportalen etc. auch wenn es zunehmend schwieriger wird, Business-Accounts für Firmen anzulegen, sah das fikitonale Plattenlabel nach 3-4 Tagen aus wie eine ernstzunehmende Firma.
Die Preisliste für die einzelnen Services:

$150 for Facebook and other social media accounts and content
$200 for LinkedIn accounts and content
$350–$550 per month for social media marketing
$45 for a news article up to 1,000 characters
$65 to contact a media source directly to spread material
$100 per 10 comments for a given article or news story
Die Gesamtkosten ca $1850.

Was in die eine Richtung geht, geht auch in die andere. Nachdem die fiktionale Firma eine gute Reputation aufgebaut hatte, wurde eine andere Gruppe im Namen eines fiktionalen Wettbewerbers beauftragt, diese Reputation wieder zu zerstören.
Was den Forschern zuerst auffiel war die sehr detaillierte Preisliste:

$15 for an „article“ of up to 1,000 characters
$8 for social media posts and commentary up to 1,000 characters
$10 for Russian to English translation up to 1,800 characters
$25 for other language translation up to 2,000 characters
$1,500 for SEO services to further promote social media posts and traditional media articles, with a time frame of 10 to 15 days

Die Gruppe teilte den Forschern mit, dass es ca. einen Monat dauere, bis die Desinformationskampagne ihre volle Wirkung entfalte, weil „a successful disinformation operation happens in phases by gradually introducing an intentionally false narrative in an organic manner.“

Die Stufen:
– Platzierung von New-Artikeln, wobei die je nach Budget bei Low- bis Toplevel Seiten wie Reuters.com platziert werden.
– Ältere Social Media Accounts teilen diese News, damit es natürlich aussieht, andere Accounts folgen.
Die Kosten hierfür ca. $4200.

Beide Unternehmen boten auch weitergehende Maßnahmen an, den jeweiligen Wettbewerbern zu schaden. Die zweite Gruppe bot beispielsweise an, eine Beschwerde bei den Strafverfolgungsbehörden einzureichen, in der sie behauptete, dass die anvisierte Firma in Menschenhandel verwickelt sei.

4.) Hilfsangebote, Tipps etc.

Was kann man tun, wenn man sich persönlich einen Troll eingetreten hat.
Don’t Feed the Trolls ist ein Rat, den man häufig hört. Das kann funktionieren, kann aber auch ziemlich nach hinten losgehen, wie beispielsweise Richard Gutjahr eindrucksvoll in seinem Talk “Nach Nizza und München – Anatomie eines Shit-Tsunamis” auf der re:publica 2018 beschreibt.
Aaron Huertas ist Kommunikationsspezialist und hat viel Erfahrung im Bereich Wissenschaftskommunikation und damit auch mit Trollen. Deshalb hat er einen Leitfaden zusammengestellt, in dem er beschreibt, wie man konstruktiv auf Internet-Trolle reagieren kann:

Konstruktiv auf Internet-Trolle reagieren
https://www.klimafakten.de/meldung/ratgeber-konstruktiv-auf-internet-trolle-reagieren

Auch wenn es schwerfalle, mahnt Huertas, sollte man sich von Troll-Angriffen nicht getroffen fühlen. “Unsere instinktive Reaktion ist, sich zu verteidigen.” Doch bevor man dies (wenn überhaupt) tut, solle man sich zuallererst bewusstmachen, was ein Troll beabsichtige:
– die Zielperson soll glauben, sie stehe vor einem großen und bedeutsamen Publikum schlecht da
– durch das Schaffen einer negativen und gehässigen Stimmung soll das Gegenüber dazu gebracht werden, nur noch zögerlich seine Positionen zu vertreten
– die Zielperson soll ärgerlich und wütend werden und die Fassung verlieren und zu emotionalen Antworten verleitet werden

Ein guter Rat, der aber wie üblich leichter klingt als er dann umzusetzen ist. Statt dessen empfiehlt Huertas, die Perspektive zu wechseln und eine komplett andere Sicht auf das Thema einzunehmen:
Man solle das genaue Gegenteil versuchen, nämlich sich amüsieren (schließlich seien die Argumente von Trollen häufig dumm) oder sich durch die Attacken geehrt fühlen (Trolle greifen nur Leute an, die sie für relevant und einflussreich halten – jedenfalls für einflussreicher als sich selbst). Besonders richtet sich Huertas mit seinen Ratschlägen an Frauen, denn sie würden häufig besonders übel und mit sexistischen Sprüchen belästigt und reagierten zudem oft besonders sensibel auf Angriffe von Trollen.

Mit Hass im Netz beschäftigt sich auch HateAid, eine Beratungsstelle für Betroffene von Gewalt im Netz Unterstützung bietet. Beispielsweise hat HateAid die Grünenpolitikerin Renate Künast unterstützt, die nach einem gefälschten Zitat eines Rechtsextremisten von ihr zum Thema Pädophilie einem massiven Shitsorm ausgesetzt sah.
In einem Talk von der re:publica 2020 zeigt sie in einem Gespräch mit der Geschäftsführerin von HateAid, wie sie gemeinsam gerichtlich gegen besonders massive Beleidigungen vorgegangen sind.
In diesem Fall zeigt sich auch ganz konkret die politische Dimension von Trolling. Rechtsextreme nutzen diese Art der digitalen Gewalt vornehmlich gegen Politikerinnen, Aktivistinnen und Journalistinnen, um sie dazu zu bringen, ihr Engagement zu beenden und arbeiten so ganz gezielt an der Zersetzung von demokratischen Beteiligungsprozesse. Erreicht werden soll, dass sich schlicht keiner mehr traut, sich zu engagieren, um dann die entstehenden Räume für die eigenen Zwecke zu missbrauchen.

Was tun?

Zuerst einmal Beweise sichern.

Und dann die drei guten Tipps aus dem Gutjahr Talk befolgen:

  1. Identifiziere die Wortführer und gehe gegen sie vor
  2. Ersetze das Narrativ der Story durch neuen Content (Liza Fazio, Vanderbilt University)
  3. Schweigt lauter

Trankskript

*** coming soon ***

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